Über Gleichmut, Menschlichkeit und die Kunst der Balance

Seit einiger Zeit höre ich immer wieder das Wort „equanimity“ – also Gleichmut –, vor allem in Verbindung mit Achtsamkeit und Meditation.
Ich hatte es schon oft gehört, aber nie so richtig verstanden, welche Bedeutung es tatsächlich hat.
Heute habe ich nachgeschaut – und entdeckt: Im Deutschen heißt es Gleichmut, manchmal wird es auch mit Gelassenheit oder innerer Ruhe übersetzt.
Das Adjektiv gelassen bedeutet laut Duden: „das seelische Gleichgewicht bewahrend; beherrscht, ruhig, gefasst.“
Das klingt nach etwas, das auch meinem therapeutischen Ansatz sehr nahe ist – dem Gleichgewicht.
Das Bild der Balance
Wenn ich an Gleichgewicht denke, sehe ich das Bild einer Person, die auf einem Drahtseil balanciert.
Von außen mag das leicht und anmutig aussehen – aber um so weit zu kommen, braucht es viel Übung und die Bereitschaft, immer wieder zu scheitern.
Hast du schon einmal versucht, auf einem Drahtseil oder einer Slackline zu gehen?
Wenn ja, dann weißt du, was ich meine.
Wenn nicht, lade ich dich dazu ein – vielleicht gibt es in einem Park oder auf einem Spielplatz in deiner Nähe eine Möglichkeit.
Und wer weiß: Vielleicht macht es dir sogar Spaß.

Balance und psychische Gesundheit
Was hat all das mit Balance im psychischen Sinn zu tun?
Vor allem, dass es auch im Leben Übung braucht, um im Gleichgewicht zu bleiben.
Selbst den erfahrensten Akrobat*innen kann es passieren, dass sie den Fuß einmal falsch setzen oder das Gleichgewicht kurz verlieren. Auch sie werden müde, gestresst oder krank.
Das ist menschlich.
Was ich damit sagen möchte: Auch das Scheitern ist menschlich.
Perfektion ist davon weit entfernt – sie widerspricht sogar der Definition von Menschlichkeit.
Denn Menschlichkeit bedeutet, verletzlich zu sein, die eigene Unvollkommenheit zu akzeptieren und all das anzunehmen, was zu uns gehört: Wut, Traurigkeit, Zweifel – ebenso wie Freude und Erfolg.
In der Positiven und Transkulturellen Psychotherapie nennen wir das Positum:
Es gehört alles dazu. Auch das, was unbequem ist, kann Teil der Heilung sein.

Vertrauen und Hoffnung
Was uns dabei helfen kann?
Vor allem Vertrauen – in uns selbst, in den Prozess, ins Leben –
und Hoffnung, dass auch aus schwierigen Zeiten etwas Gutes entstehen kann.
In unserer heutigen Welt scheinen Vertrauen und Hoffnung manchmal selten zu sein.
Deshalb habe ich im Anschluss einige Gedanken und Zitate gesammelt – kleine Erinnerungen daran, dass beides in uns nie ganz verloren geht. Und dass wir sie immer wieder üben können.
Über Hoffnung und Frieden
“If you think you are too small to make a difference, try sleeping with a mosquito.”
— Dalai Lama„Wenn du glaubst, zu klein zu sein, um etwas zu bewirken, dann versuche, mit einer Mücke im Zimmer zu schlafen.“
Manchmal fühlen wir uns machtlos angesichts der großen Themen unserer Zeit – Kriege, Krisen, Ungerechtigkeit. Doch Veränderung kann auch im Kleinen beginnen: mit einer Geste oder einem Menschen, der zuhört.
“Hope is being able to see that there is light despite all of the darkness.”
— Desmond Tutu„Hoffnung heißt, Licht zu sehen – trotz aller Dunkelheit.“
Hoffnung ist kein naives Wegsehen, sondern ein bewusster Akt des Glaubens an das Gute. Sie erinnert uns daran, dass Dunkelheit und Licht zusammengehören.
“Darkness cannot drive out darkness; only light can do that.
Hate cannot drive out hate; only love can do that.”
— Martin Luther King Jr.„Dunkelheit kann Dunkelheit nicht vertreiben; nur Licht kann das.
Hass kann Hass nicht vertreiben; nur Liebe kann das.“
Manchmal scheint Liebe naiv. Aber sie ist die stärkste Kraft, wenn wir sie auch dann wählen, wenn es am schwersten fällt.
“It’s the little things citizens do. That’s what will make the difference.
My little thing is planting trees.”
— Wangari Maathai (Friedensnobelpreisträgerin, Kenia)„Es sind die kleinen Dinge, die Menschen tun. Das ist es, was den Unterschied macht. Mein kleiner Beitrag ist, Bäume zu pflanzen.“
Frieden wächst aus kleinen Handlungen – aus Fürsorge, Geduld und Verbundenheit. Wie Bäume brauchen auch Hoffnung und Menschlichkeit Wurzeln – und Menschen, die sie pflegen.

“You may not always have a comfortable life,
and you will not always be able to solve all the world’s problems at once,
but don’t ever underestimate the importance you can have,
because history has shown us that courage can be contagious
and hope can take on a life of its own.”
— Michelle Obama„Du wirst nicht immer ein bequemes Leben haben,
und du wirst die Probleme der Welt nicht alle lösen können,
aber unterschätze nie, wie viel Mut und Hoffnung du in Bewegung setzen kannst.“
Hoffnung wirkt ansteckend. Mut inspiriert Mut. Und jedes kleine Zeichen von Mitgefühl
kann in anderen weiterleben.
“Hope is a discipline.”
— Mariame Kaba, Aktivistin und Pädagogin
„Hoffnung ist eine Disziplin.“
Hoffnung ist keine Stimmung, sondern eine bewusste Entscheidung.
Sie braucht Pflege, Geduld, Wiederholung – so wie wir Gleichgewicht üben.
Über Menschlichkeit und Verletzlichkeit
Und wenn wir müde werden von Nachrichten, wenn wir eine Pause brauchen,
wenn wir einfach loslassen und die Welt um uns herum für einen Moment nur sein lassen möchten – dann erinnere dich: Fehler machen ist menschlich.
“Vulnerability is not weakness; it’s our greatest measure of courage.”
— Brené Brown„Verletzlichkeit ist keine Schwäche; sie ist unser größtes Maß an Mut.“
Verletzlichkeit ist kein Zeichen von Mangel, sondern von Menschlichkeit.
Sie erinnert uns daran, dass wir uns öffnen dürfen – für andere, für das Leben…
“We think too much and feel too little.
More than machinery we need humanity;
more than cleverness we need kindness and gentleness.”
— Charlie Chaplin, The Great Dictator (1940)„Wir denken zu viel und fühlen zu wenig.
Mehr als Maschinen brauchen wir Menschlichkeit;
mehr als Klugheit brauchen wir Güte und Sanftmut.“
Schon vor fast einem Jahrhundert hat Chaplin uns daran erinnert: Fortschritt ohne Herz verliert seinen Sinn. Menschlichkeit ist das, was Technik, Wissen und Leistung erst sinnvoll macht.
“There is a crack in everything, that’s how the light gets in.”
— Leonard Cohen„Es gibt einen Riss in allem – so kommt das Licht herein.“

Unsere Wunden sind keine Makel, sie sind Öffnungen – durch die Mitgefühl, Liebe und Licht überhaupt erst zu uns finden können.
Wie pflegst du Hoffnung und Vertrauen in deinem Alltag – vielleicht magst du es in den Kommentaren teilen?